Buchvorstellung
“Der Yoga des Patanjali”
von Dr. Ekkirala Krishnamacharya
Yoga ist die Wissenschaft vom Menschen par excellence. Er ist die älteste der wahren Wissenschaften, die der Menschheit heute noch zur Verfügung stehen. Die Aphorismen des Patanjali werden in Form von Instruktionen gegeben. Es war eine Bitte der westlichen Schüler, die während mehrerer Jahre den Vorträgen von Meister E.K. gefolgt sind, solch einen Einführungskurs in Form eines Buches zu veröffentlichen, was zu dieser Publikation geführt hat. Jeder Aphorismus wird zunächst auf Sanskrit in seiner wörtlichen Bedeutung gegeben, gefolgt von einem Kommentar und einer deutschen Erklärung. Mit dieser Studie hat Meister E.K. einen wertvollen Beitrag für das wachsende Bewusstsein und die geistige Verschmelzung von Ost und West geleistet, der von ihm gewählten Aufgabe.
Die Ausführungen von Meister E.K. zur Praxis des Yoga des Patanjali stehen ganz im Zeichen des Wassermannzeitalters. Sie können all jenen Menschen helfen, die auf der wahren Suche nach der Wahrheit sind.
Edition Kulapati, Deutschland, 1998 - 1. dt. Gesamtausgabe. ISBN: 978-3-930637-11-9
Leseprobe:
Erläuterung der HindernisseSutra 30
Vyadhi - Krankheit
Styana - Ablehnung
Samsaya - Zweifel
Pramada - Fehler
Alasya - Trägheit
Avirati - übermässiger Genuss
Bhrantidarsana - trügerische Vision
Alabdhabhumikatva - nichtzugreifen können
Anavasthitatvani - Mangel an zielgerichteter Absicht
Citta vikshepah - Schwankungen des geformten Denkvermögens
Te - sie
Antarayah - Hindernisse
Bedeutung:
Hindernisse existieren als Schwankungen im geformten Denkvermögen. Sie sind als Krankheit, Ablehnung, Zweifel, Fehler, Trägheit, übermässiges Geniessen, trügerische Vision, fehlender Zugriff und mangelnde Zielstrebigkeit vorhanden.
Erklärung:
Auf dem Weg des Fortschritts gibt es für den Yogaschüler Hindernisse. Da das geformte Denkvermögen das Ergebnis vieler wirksamer Kräfte ist, wird das Gleichgewicht durch die folgenden Gegenströmungen gestört, die in ihm selbst entstehen.
1. Krankheit (disease) ist eine Störung des Wohlbefindens (ease). Wenn wir unseren täglichen Rhythmus, das heisst, das Gleichgewicht zwischen Arbeit, Stoffwechsel, Ruhe und Schlaf stören, werden wir krank. Da wir uns dann darauf konzentrieren, das Gleichgewicht wiederherzustellen, ist eine kontinuierliche Yogapraxis nicht möglich.
2. Ablehnung: Das menschliche Denken unterliegt der Macht der Gewohnheit. Daher lehnt es viele Dinge ab, die es nicht mag. Statt sie unbeachtet zu lassen, weist es sie zurück und verschwendet Zeit, Energie und Bewusstsein. Dies wird zu einem grossen Hindernis. Wer dem Yogapfad folgt, ist mit dem beschäftigt, was er tut, und gibt sich nicht damit ab, unnötige Dinge abzulehnen. Auf diese Weise steht er positiv zu allen Philosophien und Theorien der Menschen in der Welt. Wenn es etwas gibt, das wir nicht mögen, steht es uns im Weg. Emerson sagte: "Es gibt keine schlechten Menschen auf der Welt. Es gibt nur Menschen, die sich schlecht verhalten." Eine solch positive Einstellung beseitigt Hindernisse.
3. Zweifel weisen auf unnötige Überaktivität des Denkens hin. Wenn wir wissen, was wir brauchen, haben wir keine Zeit, darüber nachzudenken, was wir nicht brauchen. Zweifel sind das Zusammentreffen von dem, was wir brauchen, und dem, was wir nicht brauchen. Statt darüber nachzudenken, ob eine Idee richtig oder falsch ist, sollten wir sie entschieden zurückweisen, bis sie klar und eindeutig wieder zu uns kommt.
4. Fehler beziehen sich auf das Denken oder Handeln. Ein Fehler unterläuft, wenn wir handeln, bevor die Notwendigkeit dazu besteht. Ist die Geschwindigkeit unseres Denkvermögens höher als erforderlich, machen wir Fehler. Werden die Gedanken von den Handlungen gesteuert, haben wir die Geschwindigkeit unter Kontrolle. Wenn ein Mann auf dem Bahnhof auf seine Frau wartet, um in den Zug einsteigen zu können, möchte das Denken vom Bahnsteig weglaufen und sehen, ob sie kommt. Gehorcht er diesem Gedanken, macht er einen Fehler, denn er kann sie verpassen, und sie wird ihn nicht sehen können, wenn sie auf dem Bahnsteig ankommt. Erlaubt er dem Gedanken vorüberzugehen und bleibt er auf dem Bahnsteig stehen, vermeidet er ein Durcheinander, weil er den Fehler nicht gemacht hat. Die Ruhe lässt die Reise gut verlaufen. Yogapraxis befreit uns von der Reaktion auf die Umgebung.
5. Körperliche Trägheit bedeutet, dass der Körper zu langsam auf das Denken reagiert. Antwortet das Denken nicht auf die Situation, handelt es sich um mentale Trägheit. Beides lässt sich vermeiden, indem wir völlig bewusst in der Gegenwart leben.
6. Übermässiges Geniessen bedeutet, der Macht der Gewohnheit nachzugeben. Indem wir bewusst einen Schlussstrich ziehen und eine neue Gewohnheit anstelle der alten fest einprägen, folgen wir dem Yogapfad.
7. Trügerische Vision ist nur eine Täuschung im psychologischen Instrument. Das Denken und die Sinne sind nur Instrumente und haben ihre eigenen Beschränkungen. In der Dunkelheit kann man ein Seil leicht für eine Schlange halten. Manchmal mag man eine Schlange für ein Seil halten. Das wird Illusion genannt. Die Illusion dient dem Leben auf ihre Weise. Ohne die Illusion würde man einen Menschen nicht als seinen Ehepartner, sondern als ein Skelett mit Fleisch und Blut ansehen. Lassen wir das Spiel der Illusion nur im Rahmen des rechten Masses zu, dann sind wir auf dem Yogapfad. Sobald die Illusion ohne unser Einverständnis mit unserem Denken spielt, wird sie zu einem Hindernis.
8. Haben wir eine Situation nicht im Griff, bildet dies ein weiteres Hindernis. Wir sollten uns nicht um die Situation kümmern, sondern uns auf unser Vorgehen konzentrieren. Wenn wir ein Yogi werden wollen, müssen wir beachten, was zu tun ist, wann es zu tun ist, und wann wir aufhören müssen. Dadurch erschaffen wir in uns selbst ein Yogazentrum, und kein Mensch und keine Situation bilden für uns ein Hindernis. Wenn wir Schöpfer einer positiven Situation sind, bleibt kein Raum für eine negative Situation oder ein Hindernis.
9. Mangelnde Zielstrebigkeit entsteht durch die vielen nützlichen Pläne, die man im Kopf hat. Ein Plan, wie nützlich er auch sein mag, ist solange falsch, bis er in die Tat umgesetzt wird. Beginnen wir einen Plan zu verwirklichen, wird er wahr, und die übrigen Pläne verlieren sich oder entwickeln sich entsprechend ihrer Bedeutung weiter. Sobald wir zu handeln beginnen, ändert sich unsere Umgebung zu unserem Vorteil. Solange wir nicht handeln, hat die Umgebung mehr Bedeutung als wir selbst. Wir sollten eine Sache ausführen, die wir für richtig halten. Die Umgebung wird sich selbst danach ausrichten (sequence), und es werden keine Konsequenzen (consequence) entstehen.